Stromverbrauch von mechanischen Zeitschaltuhren - unter die Lupe genommen

Begonnen von Pfriemler, 12 Dezember 2017, 18:23:22

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Pfriemler

Auch wenn der geübte FHEMler seine Technik (funk)gesteuert fernschalten lässt, gibt es doch alle Jahre wieder zum Jahreswechsel saisonale Beleuchtung zu schalten, bei der es auf eine halbe Stunde nicht so genau ankommt. Als ich mit einem modernen Leistungsmessgerät Homematic-Aktoren und mechanische Zeitschaltuhren miteinander verglich, schnitten die Funkaktoren knapp besser ab als die mechanischen, die sich um 0,8-0,9 Watt genehmigen, im Ein-Zustand mit LED sogar 1,4 W. Das kam mir verdammt viel vor, zumal ich von anderen Synchronmotoren ganz anderes gewöhnt war.
Und sie werden dabei spürbar warm. Aber nicht da, wo man den Motor vermutet.

Drei Geräte unterschiedlicher Herkunft, allesamt Baumarkt-Grabbelkiste, kamen auf die Schlachtbank. Wieder einmal erhärtet sich der Verdacht, dass die meiste Technik dieser Art von irgendjemand ersonnen wird, dem billige Produktion wichtiger als elegantes Schaltungsdesign ist, und das dann fröhlich kopiert wird, wenn nicht ohnehin alles vom gleichen Band fällt. Jedenfalls waren deutlich weniger als die berühmten sieben Unterschiede zu finden.

Die Schaltungsanalyse ergab: Ein winziges Spulenmotörchen wird über einen Vorwiderstand 56k an Netzspannung gekoppelt. Am Motörchen kommen dabei nur 24 Volt an, der Rest wird im Widerstand verheizt. Nicht besser steht es um die LED: Sie wird mit einem Widerstand zwischen 120 und 150k direkt an Netzspannung betrieben. Ohne jede weitere Diode. Das Oszilloskop zeigt, dass die Sperrspannung nicht über ca 30 Volt kommt. Aua, aua.

Wenn das keine geplante Obsoleszenz ist, was denn dann? Haben die alle einen Vertrag mit Stromlieferanten?  ;D

Ein Griff in die Bastelkiste: 47nF (MKP 630V) und ein 10M parallel (zum Abbau der Spannung nach dem Abziehen der Schaltuhr vom Netz) ersetzen den 56k Vorwiderstand für den Motor. Die LED bekommt eine antiparallele Schutzdiode und wird statt über 120k über einen 22nF und einen 7,5k "Einschaltstrombremser" gespeist. Strenggenommen gehört noch ein "Opferwiderstand" in den Motorkreis, für den Fall dass der Kondensator doch durchschlägt, brennt der dann durch und macht das Gerät unspektakulär stromlos.

Resultat: Die Uhr läuft genauso wie vorher, die Stromaufnahme liegt unter der Messgrenze von 0,1W, mit aktiver LED bei genau 0,1W. Die Bauteilkosten wären bei Dauerbetrieb in weniger als einem Jahr drin.

edit: eine vierte, von der Bauform völlig verschiedene Zeitschaltuhr ohne Kontrollleuchte geöffnet, 62k ersetzt durch 47nF||10M, ein Reihe ein 4,7k als "Opfer" ... 0,9 -> 0,1 Watt. Als ob ein Kondensatornetzteil so etwas Spektakuläres wäre. Als nächstes mache ich eine 30 Jahre alte Diehl auf...

edit2: Ach nö ... diesmal etwas leistungshungrigerer Motor, aber wieder 36k Vorwiderstand auf 45V. Langsam frage ich mich, ob ich was übersehen habe
"Änd're nie in fhem.cfg, denn das tut hier allen weh!" *** Wheezy@Raspi(3), HMWLAN+HMUART, CUL868(SlowRF) für FHT+KS+FS20, miniCUL433, Rademacher DuoFern *** "... kaum macht man es richtig, funktioniert es ..."

betateilchen

Zitat von: Pfriemler am 12 Dezember 2017, 18:23:22
Als nächstes mache ich eine 30 Jahre alte Diehl auf...

30 Jahre wäre für mich eine "geplante Obsoleszenz" mit der ich durchaus leben könnte ;)
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Formuliere die Aufgabe möglichst einfach und
setze die Lösung richtig um - dann wird es auch funktionieren.
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Lesen gefährdet die Unwissenheit!

Pfriemler

Die Kurzlebigkeit war ja eher auf die LED gemünzt, die da gegrillt wird. Die Diehl hat gar keine optische Funktionsanzeige. Und ist immer noch eine der leisesten. Prinzipiell habe ich kein Problem, Geräte nach 20 Jahren Verschleiß zu entsorgen, wenn sie kaputt sind. Aber in meinem Haushalt werden die Geräte klar weniger alt als früher. Dabei ist vieles altes in Betrieb. Der Trockner bspw. brauchte nach 19 Jahren nur einen neuen Riemen, für 1/50 des Neupreises eines aktuellen Gerätes. Die Stromersparnis würde der Neue vor dem Ende seiner Lebensdauer nicht mehr einspielen...
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MartinAndreas5466

Hallo Pfriemler

Ich finde die Anleitung genial!
Könntest du nur bitte genauer erklären wo ich was ersetze?

Vielen Dank!

Pfriemler

Ich bin etwas langsam aktuell, trotz Corona.
Meine Beschreibungen sollten jedem Bastelkundigen genügen nachzuvollziehen und nachzubauen, was ich beschrieben habe. Mir liegt es fern, eine Bastelanleitung zu liefern, die vor allem gar nicht global passen kann, weil ja jedes Gerät dann intern doch ein wenig anders aussieht. Allen, die damit nichts anfangen können, würde ich dringend raten, die Finger davon zu lassen. Es sind 230V im Spiel und ein Wohnungsbrand macht im besten Fall nur ganz viel Stress.

Aber das Prinzip kann ich nur wiederholen:
- Gerät öffnen und inspizieren
Wenn sich bewahrheitet, dass wie beschrieben ein kleiner Synchronmotor mit einem Vorwiderstand betrieben wird:
- Kontrollmessung am Motor machen und Spannungswert notieren
Dringender Tip: Alle Verbindungen stromlos klemmen, Meßgeräteschnüre mit Krokodilklemmen etc. Offenen Zwischenstecker am besten in eine Verlängerungsschnur und deren Ende dann in die Steckdose. Das schafft gleich auch etwas Sicherheitsabstand ...

Die richtige Dimensionierung benötigt etwas Rechnerei und Kontrolle. Mit den o.g. Werten kann man anfangen. Ein ausreichend wechselspannungsfester Kondensator, ein hochohmiger paralleler Widerstand zum Entladen (sonst kann man an den offenen Steckerenden schön eine gewischt kriegen, wenn man im ungünstigsten Moment rauszieht) und das in Reihe zu einem eher niederohmigen Widerstand, der den Einschaltstromstoß des Kondensators mit bremst (wobei das auch der Motorwiderstand tut), alles um 1-4k sollte hierfür passen.
Diese Kombi ersetzt den bisherigen Vorwiderstand des Motors.

- Ersatzschaltung testweise applizieren und ausprobieren. Im Idealfall entsteht am Motor die gleiche Spannung wie vorher mit dem Widerstand. Sonst entsprechend die Kondensatorgröße variieren. Am Reihenwiderstand sollten nur wenige Volt messbar sein, sonst ist auch der zu groß.

Beim Einbauen der Bauteile Gehäusenischen suchen und füllen. Abstände von >5mm zwischen spannungsführenden Teilen lassen wenn möglich oder isolierte Leitungen verwenden. Eine separate Fixierung war unnötig, die Bauteile halten über ihre starren Anschlussleitungen meist von allein.

Meine quick&dirty-Lösung im Bild anbei.

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JoWiemann

Zitat von: Pfriemler am 24 April 2020, 11:59:49
Ein ausreichend wechselspannungsfester Kondensator, ein hochohmiger paralleler Widerstand zum Entladen

Vielleicht nur als Hinweis. Nicht alle Widerstände haben eine gesicherte Spannungsfestigkeit von größer 240V. Ich habe mir für solche Zwecke extra welche bestellt.

Grüße Jörg
Jörg Wiemann

Slave: RPi B+ mit 512 MB, COC (868 MHz), CUL V3 (433.92MHz SlowRF); FHEMduino, Aktuelles FHEM

Master: CubieTruck; Debian; Aktuelles FHEM

Pfriemler

Sehr guter Einwand. Die von mir verwendenten 311er aus DDR-Zeiten können das ab.
Anderenfalls kann man auch problemlos zwei Widerstände in Reihe schalten. Das kenne ich so sogar aus BSH-Kafffeevollautomaten.
Betroffen ist hier aber nur der Entladewiderstand parallel zum Kondensator. Bei den anderen isses nich so tragisch.
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