Der hydraulische Abgleich ist tot! Es lebe die elektronische Regelung

Begonnen von Prof. Dr. Peter Henning, 05 Februar 2025, 12:42:23

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Prof. Dr. Peter Henning

Sieh an. Durch einen Werbeflyer von ELV bin ich auf das hier gestoßen:

https://homematic-ip.com/de/news/tuev-zertifiziert-automatischen-hydraulischen-abgleich

Das ist zwar HmIP-bezogen, die Aussage "mindestens gleichwertig" kann man aber problemlos auf alle anderen elektronischen Heizkörperthermostate übertragen.

Erstens ist das natürlich eine nette Bestätigung, denn 2016 habe ich in den "SmartHome Hacks" in Bezug auf den hyraulischen Abgleich geschrieben
ZitatBöse Zeitgenossen könnten also auf die Idee kommen, dass es sich hierbei lediglich um ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Installateure handelt, somit um einen Erfolg des Lobbyismus.

Zweitens aber kann das durchaus Konsequenzen haben. Wenn man nämlich nachweist, dass man alle Heizkörper mit elektronischen Thermostaten ausstatten wird, könnte das sogar förderfähig sein. Mindestens aber als "energetische Sanierung" steuerlich geltend zu machen.

https://www.co2online.de/energie-sparen/heizenergie-sparen/hydraulischer-abgleich/foerderung-fuer-hydraulischen-abgleich/

LG

pah


klaus.schauer

Zitat aus dem TÜV Zertifikat (https://homematic-ip.com/sites/default/files/downloads/eQ-3_AG_Zertifikat_269183912_10_eTRVx.pdf):
"Prüfgrundlagen: Echtzeit-Simulation mit Teststand der Firma eQ-3 AG / Messungen über 17 Tage"

Jeder bekommt das, wofür er bezahlt. In diesem Fall die eQ-3 AG.

Das Regelverhalten kann man sicherlich mit einer elektronischen Regelung optimieren. Ein guter konventioneller statischer hydraulischer Abgleich für das Gesamtgebäude ist dennoch als Basis nicht überflüssig.

Prof. Dr. Peter Henning

Aber doch, das muss man schon Cum grano salis lesen.

Es geht eben nicht um ein Regelverhalten - sondern auch um die statische Komponente der Steuerung.

Das folgt übrigens ganz grundlegend auch aus der Physik.

LG

pah

klaus.schauer

Nette Sprüche "Cum grano salis" und Behauptungen "Das folgt übrigens ganz grundlegend auch aus der Physik." sind der Stil unserer Zeit. Das beeindruckt! Weiter so!

JoWiemann

Dann schauen wir uns das doch einmal an. Für einen hydraulischen Abgleich müssen alle Heizkörper mit einem entsprechenden Ventil ausgerüstet sein. An jedem Ventil wird, auf Basis einer schätzenden Berechnung oder einer manchmal plausiblen teuren Messung, die Durchströmmenge begrenzt, und führt mehr oder weniger zu einem neuen, manchmal besseren, Basiszustand.
Ja, wenn da nicht:
  • oft eine lastabhängige Umwälzpumpe vorhanden wäre, wodurch sich das Strömungsverhalten im System ändert
  • der Kessel in einem variablen Temperaturbereich gefahren wird, wodurch sich die transportierte Wärmeenergie ändert
  • der Nutzer sein eigenes Steuerungsverhalten an den Tag legt, wodurch sich die Wärmeverluste immer wieder ändern
Somit ist für mich der hydraulische Abgleich ein Optimum, dass nur bei vorher festgelegten Bedingungen eingehalten wird.

Und damit würde ich behaupten, dass ein dynamischer Abgleich, also eine echte Regelung, vor allem wenn man es schaffen würde, dass sich alle Komponenten miteinander unterhalten, nahe an ein Optimum kommen würden.

Somit sind, m.E., smarte Heizköperthermostate, die auf Basis der Schnelligkeit der Temperaturänderung am Ventil auf die Strömungsgeschwindigkeit schließen können und diese mit in die Berechnung zur Erreichung der Solltemperatur einbeziehen, ein Schritt in die richtige Richtung. Und dafür brauche ich keine KI, es reicht ein guter Automat.

Grüße Jörg

PS: Jedenfalls werden in meiner, Anfang letzten Jahres, gekauften Immobilie aus den 60zigern nach Austausch aller Standardthermostate durch HmIP Thermostate mir verbundenen Raumthermostaten ausreichend Warm um alle Räume (in Summe ca. 280 qm Wohnfläche) auf Solltemperatur zu bringen. Dass funktionierte mit den Alten nicht. Und für eine teuren hydraulische Abgleich hätten alle Ventile ausgetauscht werden müssen.

Weisheit des Tages: Wenn etwas funktioniert, dann freue Dich.
Jörg Wiemann

Slave: RPi B+ mit 512 MB, COC (868 MHz), CUL V3 (433.92MHz SlowRF); FHEMduino, Aktuelles FHEM

Master: CubieTruck; Debian; Aktuelles FHEM

eisman

hi,

nur mal so reingeworfen,

ich habe selbst sehr oft erlebt, in den letzten Jahren,
wie eine Heizung, wie ein Kartenhaus zusammengefallen ist.
Es hat Tage gedauert bis sie wieder lief.
elektronische Regler haben nicht die Möglichkeit zu entscheiden,
Ich Brauche wärme, die nicht kommt also fahre ich auf 100% und
erst wenn ich meine Temperatur habe, fahre ich wieder auf xx %,

als kann sowas eigentlich nicht funktionieren, es sei denn, die
Zentrale bekommt das Problem mit und fährt alle Heizung zu und
schritt weise wieder auf.

und bis das Funktionier:

  muss man die größte Schwachstelle rausnehmen, ein Mensch wird
  sagen mir ist kalt, also drehe ich die Heizung auf...

nicht ausgedacht, sondern in denn letzten Jahren mehrfach erlebt.

...

gruss
1x FHEM Debian, Homematic,ZigBee,FS20 / 1X Raspberry, ConBee / 7x ESP
1x FHEM Debian, Homematic,Z2M             / 1X Raspberry, ConBee / 6x ESP
1x FHEM Debian,MQTT2                             / 1X Raspberry, i2c,onewire,gpio
1x auf Windows 2012 Hyper-V-S

Prof. Dr. Peter Henning

Zur Physik der Heizung (und der Heizkörper ...) habe ich schon viel geschrieben, die entsprechenden Kapitel aus den "SmartHome Hacks" stehen frei zur Verfügung. Ich werde das also hier nicht wiederholen, nur weil irgendjemand das nicht kennt.

Tatsache ist, dass ein "konventioneller hydraulischer Abgleich" nur den maximalen Fluss durch jeden einzelnen Heizkörper reduziert - so dass auch noch das Heizkörperchen in der hintersten Ecke des Hauses etwas abbekommt. Das hat also gar nichts mit einer gleichmäßigen Wärmeversorgung des Hauses zu tun - denn wieviel Wärme einem einzelnen Heizkörper entnommen wird, hängt maßgeblich von dessen Umgebungsparametern ab.

Sondern damit kann man nur schlimme Planungsfehler des Heizungssystems korrigieren - aber das geht genauso mit einer entsprechenden Einstellung elektronischer Heizungsregler. Dem warmen Wasser ist es nämlich egal, ob es am Eingang oder am Ausgang des Heizkörpers abgesperrt wird.

Ich verstehe nicht so ganz, was mit dem "Zusammenfallen" der Heizung gemeint ist - sieht nach schlechter Planung aus. Und selbstverständlich hat der elektronische Regler die Funktion, bei benötigter Wärme zu 100% zu öffnen und danach wieder zu schließen.

LG

pah

klaus.schauer

Hier stehen jetzt nicht die Heiligen Worte zu Schreiern im allgemeinen, die wie in der Politik raumgreifend alle Themen mit ihren einseitigen aber ach so schlüssigen Antworten besetzen und gleichzeitig den anderen minderkomplexes Denken vorwerfen. Minderkomplex: Was für ein pseudoakademischer Schwachsinn. Zur Sache:

Wenn man einen hydraulischen Abgleich für eine kleine Wohnung mit Etagenheizung, ähnlicher Heizlast der Räume und kurzen gleichartigen Leitungswegen zum Wärmeerzeuger angeht, ist man schnell fertig oder lässt es gleich bleiben.

Wenn es aber um ein mehrgeschossigen Haus mit heterogene Rohrleitungsführung und z. B. Heizlasten von 400 W bis 2000 W geht, ist man gut beraten, sich das Heizsystem als Ganzes anzusehen. Da stellt sich schnell heraus, dass durch eine entsprechende Voreinstellung der Ventile ein passender max. Volumenstrom bei gleichzeitig akzeptablem Stellhub aller Ventile für die dynamischer Regelung erreicht werden kann.

Wenn in diesem Fall ohne hydraulischen Abgleich bei kleinen Heizkörpern  nur noch z. B. 5 % - 10 % des Stellhubs für den elektronischen Stellantrieb nutzbar wären, muss man sich bei der Regelung schon was einfallen lassen. Möglich, dass man durch Berücksichtigung der Vorlauftemperatur und deren Gradienten auch in diesen Fällen brauchbare Ergebnisse erzielt. Das ist dann aber nur noch ein mehr oder weniger einfaches Ein- und Ausschalten des Durchflusses. Wenns passt, dann solls ok sein. Programmierer nennen das dann eben einen Workaround.

Prof. Dr. Peter Henning


klaus.schauer


Sailor

Moin Jo

Zitat von: JoWiemann am 05 Februar 2025, 20:32:37Und damit würde ich behaupten, dass ein dynamischer Abgleich, also eine echte Regelung, vor allem wenn man es schaffen würde, dass sich alle Komponenten miteinander unterhalten, nahe an ein Optimum kommen würden.

Somit sind, m.E., smarte Heizköperthermostate, die auf Basis der Schnelligkeit der Temperaturänderung am Ventil auf die Strömungsgeschwindigkeit schließen können und diese mit in die Berechnung zur Erreichung der Solltemperatur einbeziehen, ein Schritt in die richtige Richtung. Und dafür brauche ich keine KI, es reicht ein guter Automat.

Das sehe ich genauso. Eine Durchstrombegrenzung einzelner Heizkörper (auch hydraulischer Abgleich genannt) macht nur Sinn, wenn der einzelne Heizkörper keine Ahnung hat was der Andere macht, geschweige denn die Zentralheizung.

Hat man aber alle Daten wie Ist/Soll - Raumtemperatur, Vorlauftemperatur etc. sowie aktuelle außerplanmäßige Bedürfnisse (300s Boost in einem Raum)  auf dem Tisch (im fhem Server), kann man aus meiner Sicht viel besser reagieren.

Beipiel: Ein Nutzer drückt die Boost-Taste in einem Raum und gleich werden alle anderen Thermostate für 300s geschlossen und die Vorlaufpumpe auf 100% gesetzt. Die Vorlauftemperatur sollte sich dann automatisch erhöhen oder kann ebenfalls kurzfristig für die besagten 300s angehoben werden.

Ohne diese Kommunikation schaltet der besagte Heizkörper für 300s auf Boost und nix passiert, weil die Vorlaufpumpe nach wie vor auf 20% rumdümpelt und die Vorlauftemperatur im Standby auf 30°C rumkriecht.

Ein interessanter Ansatz!

Gruss
    Sailor
******************************
Man wird immer besser...

Beta-User

Zitat von: Sailor am 06 Februar 2025, 13:15:07Beipiel: Ein Nutzer drückt die Boost-Taste in einem Raum und gleich werden alle anderen Thermostate für 300s geschlossen und die Vorlaufpumpe auf 100% gesetzt. Die Vorlauftemperatur sollte sich dann automatisch erhöhen oder kann ebenfalls kurzfristig für die besagten 300s angehoben werden.
Sowas setzt aber z.B. voraus, dass du die komplette Wärme auch wirklich wegbekommst, die in den besagten 300s erzeugt werden... Sonst geht der Wärmeerzeuger (unterstellt, das ganze wird nicht gepuffert) nämlich uU. davon aus, dass gar keine Wärmeabnahme da ist (weil der Rücklauf aus dem besagten Heizkörper auch zu heiß ist), obwohl das gar nicht der Fall wäre, wenn der Rest weiter "normal" beliefert würde.
Kann gut gehen, muss aber nicht, und dazu kommt mir das Szenarium auch "sehr spontan" vor.

Zumindest in meiner Altbau-Hütte hier (ohne Puffer, mit mdulierender Gastherme) ist es eher wichtig, dass das System halbwegs gleichmäßig läuft; dann ist es auch kein Problem, wenn zusätzlich kurzfristig ein oder zwei Heizkörper richtig aufgedreht werden. Sonst fängt der Wärmeerzeuger an, komisch rumzutakten, was wieder Einfluss auf das Regelverhalten der Thermostate hat usw. usf.. So moduliert die halt ggf. leicht hoch und wieder runter und gut ist.

Ohne eine Art Abgleich (selbst gemacht, erst über Rücklauf-Drosselung, jetzt mit getauschten Ventil-Einsätzen), war es vorher - bei praktisch überall verbauten Homematic-Thermostaten - nicht möglich, einfach nur die Thermostate werkeln zu lassen.
Klar könnte man dasselbe Ergebnis haben, wenn man (wirklich!) alle Parameter unter Kontrolle hätte*, aber der Aufwand ist m.E. sehr viel geringer, wenn die hydraulischen Voraussetzungen halbwegs passen.

*hat man aber nicht: Der Therme kann man zwar Wünsche mitteilen, was (in etwa) passieren soll, aber was die draus macht, ist sicherheitsrelevant und kann daher nicht direkt durch den Nutzer angewiesen werden.

Just my2ct, ohne jeglichen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit...
Server: HP-elitedesk@Debian 12, aktuelles FHEM@ConfigDB | CUL_HM (VCCU) | MQTT2: ZigBee2mqtt, MiLight@ESP-GW, BT@OpenMQTTGw | ZWave | SIGNALduino | MapleCUN | RHASSPY
svn: u.a Weekday-&RandomTimer, Twilight,  div. attrTemplate-files, MySensors

klaus.schauer

Zitat von: Beta-User am 06 Februar 2025, 13:40:03Zumindest in meiner Altbau-Hütte hier (ohne Puffer, mit mdulierender Gastherme) ist es eher wichtig, dass das System halbwegs gleichmäßig läuft; dann ist es auch kein Problem, wenn zusätzlich kurzfristig ein oder zwei Heizkörper richtig aufgedreht werden. Sonst fängt der Wärmeerzeuger an, komisch rumzutakten, was wieder Einfluss auf das Regelverhalten der Thermostate hat usw. usf.. So moduliert die halt ggf. leicht hoch und wieder runter und gut ist.
Das kann man durchaus verallgemeinern. Auch moderne Wärmepumpen sind keine Sprinter. Schon gar nicht, wenn sie knapp ausgelegt sind.
Die Einzelraumregelung ersetzt eine optimal an die Witterung angepasste Leistungssteuerung nicht. Die Einzelraumregelung soll eher temporäre Schwankungen des Heizbedarfs z. B. durch Sonneneinstrahlung ausgleichen.

Beta-User

Zitat von: klaus.schauer am 06 Februar 2025, 14:11:27uch moderne Wärmepumpen sind keine Sprinter.
Nun ja, so herum war es (bezogen auf diesen Einzelfall) gerade nicht gemeint: Es ist eher so, dass die Therme nach dem Tausch der Fenster "plötzlich" überdimensioniert war.
Ergo dümpelt die in der "Übergangszeit" (also schon bei geringen Plusgraden...) immer im unteren Regelbereich rum (was grundsätzlich für den Wirkungsgrad gut zu sein scheint!), und man muss nur aufpassen, dass sie nicht zu lange zu viel Leistung bringt, sonst bekommt die die Wärme aus der nächsten Anlaufphase schon nicht richtig weg.

Mein bisheriges Fazit: Viele Wege führen zum Ziel, aber den richtigen zu finden ist umso mühsamer, je mehr Kompromisse (oder auch Altlasten) im Gesamtsystem drin sind bzw. eben auch thermische Verluste. Ich persönlich finde es wichtig, dass die Hardware-Basis so ausgelegt ist, dass man als User nicht allzuviel falsch machen kann und nicht alles aus dem Takt gerät, nur weil irgendjemand grade keine passenden Batterien zur Hand hat, der Server in Wartung gegangen ist, der Admin gegen den Baum gekracht, der Hardwarelieferant ein kaputtes update verbrochen hat, oder oder...
Server: HP-elitedesk@Debian 12, aktuelles FHEM@ConfigDB | CUL_HM (VCCU) | MQTT2: ZigBee2mqtt, MiLight@ESP-GW, BT@OpenMQTTGw | ZWave | SIGNALduino | MapleCUN | RHASSPY
svn: u.a Weekday-&RandomTimer, Twilight,  div. attrTemplate-files, MySensors

betateilchen

Zitat von: eisman am 05 Februar 2025, 22:17:55muss man die größte Schwachstelle rausnehmen,
ein Mensch wird sagen mir ist kalt, also drehe ich die Heizung auf...

ja, und dann noch der Gedanke "wenn ich den Regler auf 5 stelle, wird es schneller warm als auf 3" bei einer modernen Fußbodenheizung in einem Mehrfamilienhaus...
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Formuliere die Aufgabe möglichst einfach und
setze die Lösung richtig um - dann wird es auch funktionieren.
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Lesen gefährdet die Unwissenheit!